Großartig. Es regnet wieder.
Ich muss schon eine Weile hier stehen, denn mein Zopf hat sich gelöst. Und auch, wenn ich der Meinung bin, dass meine Haare das letzte Mal als ich nachgesehen habe kürzer waren, und mir nicht über den Rücken und die Brust fielen, habe ich in diesem Moment eindeutig größere Probleme. Ich bin zu Hause vor unserem Haus, und es regnet in Strömen auf das Dach, die schlammigen Wege und die Felder. Muss Spätsommer sein. Ein Jahr für Nachtschattengewächs. Es ist etwa der Zeitpunkt, als mir so im Hinterkopf der Gedanke kommt: 'Da stimmt doch was nicht.' Und ich bin ganz irritiert. Sehe mich um. Der Schuppen ist doch... bei dem Sturm zerstört worden und wir hatten ihn woanders.. hinter dem Haus wieder aufgebaut? Ich wage einige Schritte auf den Felderrand hin. Oryza Sativa? DAS ergibt keinen Sinn. Wächst in feuchteren Regionen. In Wärmeren. Aber nicht ... bei uns ist es zu kalt dafür! Und hier wächst dieser verdammte Reis so vor sich hin. Sieht nach einer guten Ernte aus. Neeeeiin, das ist so wohl kaum richtig. Und da fällt mir dann auf, dass mehr nicht richtig ist. Die Farben sind anders. Fließen ineinander über. So bewölkt wie der Himmel ist, dürfte ich eigentlich kaum mehr als zwei Meter weit sehen in diesem Regen. Als würde der Welt meine Empörung darüber auffallen, grollt und donnert es weit oben, nicht weit entfernt und ein Blitz schlägt irgendwo bei unseren Nachbarn ein. Jedenfalls WÄREN dort die Nachbarn. Wenn das hier Realität wäre. Ist es aber nicht. Ich träume eindeutig. Eine Silhouette. Sehe sie auf dem Feld. Kommt mir bekannt vor und ich stürze darauf zu. Renne hinterher. Die bewegt sich nicht, aber ... irgendwie komme ich nicht näher. Der Regen beginnt langsamer zu fallen. Sollte ich jetzt nicht aufwachen? Ich WEISS, dass das ein Traum ist! Wach auf! Ich höre den Donner. Plätschernder Regen. Dominierend in meinem Gehör. Dann kommt die Silhouette auf einen Schlag näher. Ich wusste es. Sie ist es, und ich will auflachen, doch sie stößt mir etwas entgegen und erschrocken stolper' ich zurück, meine Hand hebt sich und mit einem intensiven Rauschen entlädt sich die Waffe darin und fetzt die Gestalt, die auf mich zukommt auseinander. Regen ändert seine Farbe. Er wird rot, und ich rieche und schmecke Eisen. Ihre Silhouette beginnt zu brennen und sie brüllt fauchend auf, stürzt sich auf mich, und ich drücke erneut ab. Das Rauschen brennt durch meine Ohren, sie verschwindet in züngelnden Flammen, spüre etwas an meinen Beinen. Meine Brüder, meine Schwestern, sie krallen sich in Hosenbeine. Nur die oberen Hälften ihrer Körper, und sie sind nackt und dürr, nur Haut und Knochen, mit eingefallenen Gesichtern, und ihre schwarzen Schlünde starren mich an. Wieso wache ich nicht auf?! "... komm' zurück...", krächzt eine mir wohl bekannte Stimme aus einem Mund hervor, mit nur wenigen Zähnen, und diese treibt er in meinen Unterschenkel. Der brennende Schmerz lässt mich jaulen und ich richtige die Waffe auf ihn. Ist nur ein Traum! Nur. Ein. Traum. Und dann taucht Vater auf, packt meine Hand mit der Waffe und meine Kehle, und er drückt mich an sich heran, während meine Geschwister weiter daran arbeiten mich hinab ins Wasser zwischen den Reispflanzen zu ziehen. "Nur ein Traum?!" Seine Stimme grollt tief und hallt in meinem Schädel nach. "Den ganzen Tag bist du in einem Traum, einem Traum der für dich zu einer Wirklichkeit geworden ist. Große Taten liegen vor dir, ein großes Schicksal, ein Glaube an etwas mehr als nur die Mäuler deiner Kinder durchzubringen." Er glüht wie Feuer, der blutende Regen geht in Flammen auf, die Angst ist das Einzige was mir Kälte über den Rücken bringt, als einzige Abwehr gegen die fürchterliche Hitze. Mein Vater hat Hörner, ist dünner, und ein Loch klafft in seiner Brust. "Du lässt es dir gut gehen, nicht wahr? Zum Sterben hast du uns verurteilt. Geschützt und gefüttert haben wir dich, ein Dach über dem Kopf hast du bekommen, und jetzt, da wir alle unter der Erde sind, glaubst du, du hast nichts von der Schuld zu begleichen? Dann hör mir mal gut zu! Mein Kind! Wir Toten, wir vergessen nicht!" Ich spüre, wie er meine Haut zum Schmelzen bringt, ich spüre es. Ich spüre wie ich herabgezogen werde, unter die Erde, und ich brenne und Schmelze, und er zwingt die Waffe, während er sich über mich beugt, an meine Schläfe. "Du hast keine Erlaubnis zu vergessen. Du hast keine Erlaubnis dein Blu-"
Ich drücke freiwillig ab und schlage mit einem Gefühl völliger Kälte die Augen auf. Ich fühle mich nassgeschwitzt, richte mich auf und angle schnell nach meinem Licht. Schnell. Schnell. In meiner Panik fummle ich mehrmals am Schalter vorbei, ehe ich ihn mit meiner Faust erreiche. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich hasse diesen Traum. Schaue auf meine Hände. Zittern wie verrückt. Ai steckt ihren Kopf vom Bad herein und guckt mich an. "Oha. Scheiße geschlafen?" Reibe mein Gesicht. "... mh-hm." Sie streicht sich's Haar zurück. "Is' ja ätzend. Bin gleich fertig." Die weiß schon, dass ich nicht darüber reden werde. Gut so. Und während sie sich die Zähne putzt, fällt mir auf, dass ich schon wieder eingenässt habe. Dreck.
Nachdem ich mich versteckt um das Problem gekümmert habe und duschen konnte, putze ich mir die Zähne und trete frisch bekleidet aus unserer Kammer. "Gu-ten Morgeeehn, Anwärter!", ertönt es metallisch-melodisch von rechts, zucke zusammen und glotze den Ritter Yba'sukog an. "... oh. Hab' ich dich erschreckt?" Er ist ein Alien, aber ich habe keine Ahnung was für eine Spezies. Sieht aus wie eine überdimensionierte Ameise in humanoider Form, und er braucht eine Art Maske die ständig in seinem Gesicht klebt. Ist er überhaupt ein ER? ... Na. Spielt auch keine Rolle. Ich ignoriere ihn und gehe in Richtung Cantina. Ai und Leslie sind schon zur Hälfte mit dem kargen Mahl durch, nur er schaut auf als ich mich dazu setze. "... immer noch unter strenger Bewachung, Häftling?", grinst er und kriegt von Ai eine Handkante auf die Stirn. "Ah! Warum denn?!" Gucke zwischen Beiden hin und her. "Na, ich war noch nicht fertig! Hör mir verdammt nochmal zu, und stell' dem Häftling keine blöden Fragen!" Witzig. Ich schneide beiden eine Grimasse. "Worum ging's denn?", locke ich mal heraus. Ai stiert mich missmutig an. "Les glaubt nicht, dass ich ein pinkes Lichtschwert haben kann." Starre sie an. "Das ist halt 'SO' ein Schwachsinn. Im Ernst. Dann kann dich doch niemand mehr Ernst nehmen. Dann halten die dich doch nur für eine... uh. Ja diese girly Fanboys von diesen albernen Popsängern!" Sie zeigt mit einem Göffel an dem eine Kartoffel (Solanum tuberosum) hängt auf ihn: "Vielleicht bin ich ja genau das? Ich versteh' nicht wo das Problem sein soll. Pff. Du willst 'grün'. Das hat doch fast jeder. Grün ist langweilig." ... "Grün ist die Farbe der Diplomaten?", mault er. "Wenn ich ein Ritter bin, dann lege ich RICHTIG los. Im Senat werde ich dann sein!" Bin mir nicht sicher, ob das so richtig ist, aber die Beiden wissen tendenziell mehr von der Galaxie als ich, also halte ich mal die Klappe. "Das sind doch nur alberne Konventionen. Oder sowas. Wer will denn uniform zum Rest der Gesellschaft leben?" Ai steckt sich die Kartoffel in den Mund, zerkaut sie, während Leslie mir wortlos seinen Brokkoli (Brassica oleracea) andrehen will. Normalerweise würde ich annehmen, aber mir ist der Appetit vergangen. Vermutlich keine schlechte Idee einfach mal zu fasten. Schüttel' nur den Kopf. "Ich glaub' Jedi tun das vom Orden her im Grunde bereits?", hält er dann gegen an und Ai schüttelt fast sofort den Kopf. "Quatsch. Wenn wir hier korrigiert werden, dann nur, weil es der Ausbildung im Wege steht. Man kann auch ein total individueller, uh... eigenständig denkender Jedi sein." Les: "Ach was. Selbst denken sollen wir sowieso." Und Ai hebt die Hände über ihren Kopf, gewinnend sagend: "Und wenn wir selbst denken sollen, dürfen wir auch selbst entscheiden, und wenn wir selbst entscheiden, dann darf ich auch ein pinkes Lichtschwert haben." Überlege kurz, frage dann: "Du magst Pink doch gar nicht?" Sie sieht zu mir herüber und grinst. "Genau DAS ist ja der Punkt." Kapier' ich nicht, aber ich bin zu müde mich darüber zu beklagen.
"Gar kein Hunger?" Schüttle den Kopf. "Nah. Werde mal ein wenig fasten. Brauch' ja nicht viel Power zum Meditieren." Les zieht eine Grimasse. Er ist kürzlich siebzehn Jahre alt geworden, kommt offenbar von Coruscant und war da in einer großen mittelständigen Familie, meine ich. Seit knapp zehn Jahren beim Orden. Ai ist fünfzehn, auch wenn sie aussieht wie Neunzehn, bereits größer als ich und, laut eigener Aussage, Epicanthix. Weswegen sie so groß ist. Habe sie mal gefragt was das für eine Spezies ist. Sie meinte nur: "Keine Spezies. Das bin NUR ich!" ... Glaube nicht, dass sie einer ist. Ich denke eher sie erzählt viel Müll, wenn sie sich unsicher fühlt. Lasse es ihr durchgehen. Bin ja jetzt nicht der Richter unter den Anwärtern. Absolut nicht. "Hängst immer noch im Sonderplan fest, huh? Mega-Ätzend. Wer trägt mich denn nach dem Lauf später zurück?", fragt Leslie und grinst. Ich zeige auf Ai. Und die droht mir mit ihrem Göffel. Als die Beiden fertig sind, steht Ai bereits auf. Tue es ihr gleich, nachdem ich mir meinen Zopf gebunden hab'. Trage ein rotes Haarband, seit ich das Alte gestern im See verloren habe. Sieht natürlich bescheuert aus. Aber gut. Les hält mich auf und fragt mit einer Hand an meinem Handgelenk: "Ganz vergessen zu fragen: Welche Farbe willst du später haben?" Ich überlege kurz und zucke mit den Schultern. "Keins. Ich will kein Lichtschwert." Er runzelt die Stirn und lässt mich los, steht dann selbst auf. "Wieso'n?" Zucke mit den Schultern und lasse ihn mit der fehlenden Antwort zurück. Gucke den Jedi an, der bereits auf mich wartet: "Und?", flötet er durch seine Maske metallisch, aber irgendwie fröhlich. "Aufgegessen?" Also entweder hat er einen besonderen Sinn für Humor, oder er kann mich nicht leiden. Was ich ihm nicht vorwerfen würde. Behandle ihn ja ziemlich scheiße, objektiv betrachtet.
Folge ihm dann zur Meditation.